Hildegard - Deutsch
138 Schließlich wurden keine Kompromisse gemacht. Es musste schön sein und es verur- sachte auch zu oft viel Ärger. Oft reichte es nicht lange, bis sie verrückt wurde. Es könnte eine Tasse sein, die ich nicht gerade vom Küchentisch weggenommen hatte und dann hieß es: „Was macht so eine Tasse da?“. Ja, es war nichts nötig. Aber all das verrückte Putzen dort sehe ich als eine Art Kontrolle. Dann haben Sie die Kontrolle darüber, zumindest Ihr Zuhause zu behalten. Im Großen und Ganzen hat meine Mutter auch Wert darauf gelegt, dass du „was warst“. Man konnte nicht nur das eine oder das andere kennen, man musste vorzugsweise eine Bankausbildung haben. Daran kann ich mich über die Jahre erinnern. Sie wollte unbed- ingt, dass ich einen Bankabschluss mache. Es war wahrscheinlich eines der letzten Dinge, die ich mir vorstellen konnte. Dass ich vor einem Computer sitzen und eine Bank leiten musste. Nein, aber es war ihr so wichtig, dass du etwas bist. Dass du etwas Wohlstand hattest und so lala. Es bedeutete ihr sehr viel und sie schaute dazu auf. Wenn ich als Teenager etwas brauchte, ging ich immer zuerst zu meinem Vater. Z.B. Ich habe zuerst meinen Vater gefragt, ob ich heute Abend zur Party gehen könnte. Er sagte immer ja. Wenn ich meine Mutter fragen würde, wusste ich im Voraus, dass es ein Nein sein würde. Also ging ich natürlich zuerst zu meinem Vater und stimmte zu. Dann könnten sie hinterher noch Ärger miteinander haben. Aber ich denke, dass alle Teenager zu demjenigen gegangen wären, der zuerst „Ja“ gesagt hat. Als Kind wollte meine Mutter unbedingt, dass wir zusammen Deutsch sprechen. Dann konnte ich die Sprache sprechen, wenn meine Großmutter oder meine Cousins in den Urlaub kamen. Es lag nicht daran, dass sie dachte, ich hätte in der Schule nicht gut genug Deutsch gelernt, sondern sie dachte fast, es sei offensichtlich, und ich könnte die Sprache genauso gut lernen, indem wir zusammen Deutsch reden. Wir haben das eine Zeit lang gemacht, aber dann haben wir es vergessen und dann ist es wieder abgeebbt. Aber die Idee an sich war eigentlich sehr gut, finde ich. Als ich 13-14 Jahre alt war, erinnere ich mich, dass meine Mutter und mein Vater sich scheiden ließen und meine Mutter in eine eigene Wohnung gezogen war. Irgendwann kam ein Freund zu Besuch nach Hause. Als wir zur Tür hereinkamen, war meine Mutter gerade am Staubsaugen. Mein Freund hatte das Pech, über das Kabel zu fallen, wodurch der Staubsauger ausfiel. Meine Mutter wurde wirklich wütend. Es war also ein sehr langweiliger Besuch, würde ich sagen. Es brauchte nicht viel, um die Stimmung zu verderben. Im Laufe meines Erwachsenenlebens würde ich sagen, dass meine Beziehung zu meiner Mutter mit zunehmendem Alter immer besser wurde.
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